Finanzindustrie im Wandel: hinterfragte Strukturen und stetige Veränderung

13. Mai 2020

Finanzindustrie im Wandel: hinterfragte Strukturen und stetige Veränderung

13. Mai 2020

Fragen an Dr. Martin Deckert COO Merck-Finck-Privatbankiers-AG

 Finanzindustrie im Wandel: hinterfragte Strukturen und stetige Veränderung

Globalisierung, internationale Warenströme, Rezession. Corona hat die Welt der Wirtschaft kalt erwischt. Mit gewaltigen Staatshilfen versuchen eine Vielzahl von Ländern die wirtschaftlichen Folgen des Shutdown abzufedern und eine schnelle Erholung zu beschleunigen. Und nach Corona alles wieder auf Anfang? Nein, meint Dr. Martin Deckert: nachhaltige Produktion, ein schonender Umgang mit Ressourcen und eine eher langfristige Wachstumsperspektive werden zukünftige Investorenentscheidungen beeinflussen.

PreventON

prevent.on:Die Finanzindustrie steht seit Jahren unter (Veränderungs-) Druck. Wirkt die Corona hier als Katalysator?

Corona wird sicherlich in den Bereichen Online Banking und Digitalisierung für einen nächsten Schub sorgen. Kunden erkennen, dass neue Medien und digitale Tools eindeutig Vorteile besitzen. Zumindest der Informationsbedarf über Konto, Depot und Vermögenswerte kann so sichergestellt werden. Das ersetzt nicht das persönliche Gespräch, aber zumindest werden die Grundbedürfnisse nach Information sowie die Basisfunktionen der Bank so sichergestellt. Innerhalb der Banken hat Corona die Notwendigkeit für alle Banken verdeutlicht, dass wir innerhalb von Tagen auf HomeOffice umstellen müssen. Das hat operativ im Großen und Ganzen hervorragend funktioniert. In Zukunft wird es wenig Diskussion geben, ob HomeOffice eine Option zum regulären Arbeitsplatz ist oder nicht. Mitarbeiter werden verstärkt einfordern, dass sie zumindest eine definierte Zeit im HomeOffice arbeiten können. Auf der anderen Seite erkennen unsere Mitarbeiter, dass das Büro neben der Bereitstellung der Infrastruktur auch eine "soziale" Rolle spielt. Wir haben viele Mitarbeiter, die darauf warten, wieder ins Büro zu gehen, Kollegen wiederzusehen und in die gewohnten Strukturen zurückzukehren- soweit die überhaupt noch genauso nach Corona existieren werden.

 

prevent.on:Motor des Wachstums der vergangenen Jahre waren Themen wie Globalisierung, internationale Warenströme und Lieferung on Demand. Welche Rahmenbedingungen braucht es zukünftig, um Wirtschaftswachstum krisenfest zu gestalten?

In meiner Sicht bringen Globalisierung, internationaler Warenaustausch und moderne Produktionsmethoden sowie Lieferketten eindeutige Vorteile. Allerdings wird es auch immer wieder Krisen geben. Es stellt sich daher eher die Frage, wie wir uns auf "globale" Krisen wie Corona einstellen können und ob es die Staaten schaffen werden, in diesen Fällen zum Wohle aller auf rein "nationale" Lösungen zu verzichten. Hat dies funktioniert in der jetzigen Krise? Sicherlich nur in sehr begrenztem Ausmaß. Aber die Krise wird absehbar dazu führen, dass Strukturen verstärkt hinterfragt werden und die Entscheidungen für Produktionsstandorte auch in diesem Kontext beleuchtet werden. Letztendlich wird der bereits abzusehende Trend von der Fokussierung auf den reinen "Sharefolder Value", also der Maximierung der Anteilseigner hin zum "Stakeholder Value", also der Maxime und der Berücksichtigung der relevanten Interessengruppen, wesentlich an Fahrt aufnehmen und in unternehmerische Entscheidungen einfließen.

 

prevent.on: Beherrschendes Thema 2019 war die Bewegung friday for future und eine globale Klimadebatte. Werden grüne Unternehmen bei einem Wirtschaftsaufschwung zum Krisengewinner?

Ich würde da den Fokus nicht auf "grüne" Unternehmen legen, sondern auf Unternehmen, die den o.a. Stakeholder Value in den Fokus rücken. Das große Wort "Nachhaltigkeit" gewinnt hier an Bedeutung. Ist das was mein Unternehmen produziert oder verkauft in Einklang mit den relevanten Interessengruppen. Ist mein Geschäftsmodel nachhaltig oder nur an kurzfristigen Gewinnen zu Lasten Anderer - Ressourcen, Umwelt, Gesellschaftsgruppen - ausgelegt. Wer profitiert letztendlich an potenziellen Gewinnen - wer bezahlt diese Gewinne mit vielleicht überproportionaler Belastung. Schone ich Ressourcen oder beute ich diese lediglich aus? Diese Fragen werden an Bedeutung gewinnen und insbesondere auch auf der Investorenseite - privat oder institutionell - wichtiger Bestandteil von Investitionsentscheidungen.


prevent.on: Mit social distancing haben online-Angebote in vielen Bereichen eine explosive Nachfrage erzeugt. Benötigt die Banken- und Finanzwirtschaft zukünftig überhaupt noch den persönlichen Kontakt?

Das kommt sicherlich auf das Geschäftsfeld im Einzelnen an. Die Basisfunktionen können in Zukunft noch stärker digital bzw. über online Angebote abgedeckt werden. Komplizierte Sachverhalte - wie z.B. im Bereich Private Banking, im Firmenkundengeschäft oder auch im Investment Banking - werden auch in Zukunft auf den persönlichen Kontakt nicht verzichten können. Für diese Bereiche werden sich sogenannte Hybrid-Modelle herausbilden. Diese Modelle kombinieren die persönliche Beratung und den persönlichen Kontakt mit digitalen Funktionalitäten. Einfache administrative Notwendigkeiten werden digital abgewickelt, Detailinformationen und erklärungsbedürftige Vorgänge erfolgen über das persönliche Gespräch. Im Idealfall können Kunden selbst wählen, welchen Anteil "persönliche Beziehung" und welchen Anteil "digitale Beziehung" oder einfacher gesagt "Maschine" in der Kundenbeziehung notwendig und gewünscht ist. Diese Thematik ist dann übrigens unabhängig vom Geschäftsfeld.

 

prevent.on:Die schwarze Null war lange Zeit für die Bundesregierung auch weiterhin als Ziel gesetzt. Ist Corona aus Ihrer Sicht ein guter Grund diese Linie zu verlassen?

Es hat sicherlich nicht geschadet, dass wir in den letzten Jahren einen guten Konsolidierungskurs der Bundesregierung mit einer Reduktion der Neuverschuldung erleben konnten. Dies lässt uns nun "Luft" für unterstützende Maßnahmen. Ein totaler Shutdown der wirtschaftlichen Aktivitäten war so nicht sicherlich nicht vorhersehbar. Die entscheidende Frage wird sein, wo die Mittel der Bundesregierung nun eingesetzt werden und wie schnell die absehbare Lockerung des Shutdown wieder zu einer Erholung führt. Dies ist - auch aufgrund der globalen Ausmaße der Krise - eine neue Erfahrung für alle Akteure.  Ich bin hier aber - auch wenn es Insolvenzen geben wird und vorausgesetzt wir erleben keinen weiteren ähnlichen Shutdown - optimistisch, dass es eine wirtschaftliche Erholung geben wird und hoffe, dass sich die derzeitigen "Worst Case" Szenarien nicht bewahrheiten. Dies ist aus meiner Sicht in erster Linie eine Frage der Zeit, bis wir mit der Situation eine graduelle Lockerung der Vorsichtsmaßnahmen umgehen können und hier eben auch eine Disziplinfrage, wie mit der Corona-Krise umgegangen wird.

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